Licht der Hoffnung

Botschafterin des offenen Herzens

Licht der Hoffnung: Nirit Sommerfeld und das Shlomo Geistreich Duo im Nürtinger Theater im Schlosskeller

Ein kulturelles Glanzlicht leuchtete vorgestern Abend im Nürtinger Theater im Schlosskeller auf: Nirit Sommerfeld (Mitte), Andi Arnold (links) und Robert Probst begeisterten. jg

Ja, was ist sie denn nun? Sängerin? Tänzerin? Schauspielerin? Autorin? Polit-Aktivistin? Anwältin der Gerechtigkeit? Nirit Sommerfeld trägt all diese Facetten in sich. Und ist just deswegen eine grandiose Künstlerin. Das spürte man am Donnerstag beim Auftritt mit dem Shlomo Geistreich Duo im Nürtinger Theater im Schlosskeller überaus eindrucksvoll.

NÜRTINGEN. Kein Zweifel: Dieses Konzert hätte ein wesentlich größeres Publikum verdient. Die, die da waren, waren sich einig: Die, die nicht da waren, haben viel verpasst.

„Nicht ganz kosher“ ist ein Programm, das sich nicht auf eine kurze Formel bringen und auch nicht in eine Schablone pressen lässt. Es ist so etwas wie eine gesungene und gespielte Biografie, eine Wanderung durch das Leben eines Menschen. Mit all seinen Irrungen und Wirrungen, Höhen und Tiefen.

Freilich: Es geht hier nicht um eine Fiktion, um jemand, den man sich ausgedacht hat, um dramatische Dynamik in die zwei Bühnenstunden hineinzubringen oder hineinzuzwingen. Es spiegelt vielmehr eine konkrete Person – Nirit Sommerfeld selbst.

Just das macht die Stärke dieses Programms aus: seine Authentizität. Die, um die es geht, steht nur ein paar Meter von einem entfernt – und erzählt einfach. In Geschichten, in Liedern, in Tänzen lässt die Jüdin Nirit Sommerfeld ihr Publikum an ihrem Leben und dem ihrer Familie teilhaben – dem Teil, der vor ihr war, und auch dem Teil, der ihr folgt.

Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wird nicht ausgespart. Aber nicht als anklagende Brandrede. Sondern in Form von persönlichen Erinnerungen: Wie das Jiddische im jungen Staat Israel, wo sie geboren wurde, zunächst verpönt ist (vielleicht, weil diese Sprache zu viele deutsche Elemente enthält), wie ihr erst als Schulkind auffällt, dass sie von Vaterseite her weder Onkel noch Tanten noch Omas oder Opas hat, wie es den Papa wegen seiner Liebe zur deutschen Kultur dann doch wieder nach Deutschland zieht (zu einer Zeit, als dies noch kaum einer verstehen konnte), wie sie der Lehrer im bayerischen Ebersberg gönnerhaft als neue Mitschülerin vorstellt – mit dem Zusatz „Ihr wisst ja schon, was ihre Vorfahren mit unserem Herrn Jesus gemacht haben“: gerade dass Nirit Sommerfeld dieses Lebens-Bild in eher dezenten Farben malt, macht es so eindrucksvoll.

Kräftig werden die Farben dann, wenn sie im zweiten Teil zu ihrem großen Lebensthema kommt: der israelischen Besatzung Palästinas. Da hält sie sich nicht zurück, greift auch mal zum Blutrot, weil sie überzeugt ist, dass gerade die westliche Welt und speziell Deutschland (das dann in seiner Orientierungslosigkeit beide Seiten finanziert) einfach wegschaut und die Gewalt und die Ungerechtigkeit nicht anspricht.

Dafür tut sie es – wie in der unter die Haut gehenden Geschichte, die davon erzählt „wie die Franken München besetzen“. Nur die Namen sind vertauscht: Die Franken sind der israelische Staat (da macht sie schon einen entscheidenden Unterschied zum Judentum an sich), die Münchner die Palästinenser, die in ihrer eigenen Stadt keine Rechte mehr haben. All das, was da aufgezählt wird, sind Fakten – und deswegen erschreckt es ja so.

Trotz des durchweg schweren Themas kommt das Programm mit einer unglaublichen Leichtigkeit daher, nach den Ghetto-Liedern findet auch die überschäumende Lebensfreude wieder ihren Platz.

Und man erlebt das keineswegs als Bruch, sondern als Ergänzung: auch wegen der grandiosen Musiker, die Nirit Sommerfeld an ihrer Seite hat – den furiosen Klarinettisten Andi Arnold und den begnadeten Pianisten Robert Probst, die mehr sind als Beiwerk, sondern tragende Säulen des Programms.

„Wir tragen alle unser Erbe“, sagte Ni-rit Sommerfeld. Wie wahr, wie wahr.

Sind wir also heillos in unserer Vergangenheit verstrickt und gefangen?: Sie glaubt nicht: „Es zählt, dass man sich als Menschen begegnet. Und das funktioniert nur mit offenem Herzen und mit Liebe.“

Vielleicht ist es ja genau das, was Nirit Sommerfeld zuvörderst ist: Eine Botschafterin der offenen Herzen. Und der Liebe.

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