Leserbriefe

Wo ist der Fortschritt von S 21 versteckt?

Peter Illg, Schlaitdorf. Zum Artikel „OB Kuhn verteidigt S 21: Kein Rückbau“ vom 27. Oktober. Hier spielen wohl gestandene Männer mit der Märklin-Modelleisenbahn. Züge halten und fahren nach eigenem Gutdünken. Für Peter Sturm von der Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm sind 49 Züge und mehr pro Stunde kein Problem. In der Schlichtung zu S 21 waren 40 Züge schon zu viel. Hierzu eine Rechnung für „nur“ 48 Züge pro Stunde: Bei gleichmäßiger Taktfolge kommen auf jedem der acht Gleise bei S 21 pro Stunde sechs Züge an. Alle zehn Minuten ein Zug. Ohne Ein- und Ausfahrt und Sicherheitsabstand zwischen zwei Zügen, zehn Minuten für Ein- und Aussteigen. Klingt gut. An jedem der vier Bahnsteige kommen immer zwei Züge an. Nach fünf Minuten ein zweiter Zug auf der anderen Bahnsteigseite. Nach fünf Minuten müssten alle Fahrgäste aus Zug 1 aus- oder eingestiegen sein, um Platz für die Fahrgäste des zweiten Zuges zu haben. Auch warten schon Fahrgäste für die nächsten Züge. An den Treppenaufgängen kommt es zum Rückstau: Chaos ist absehbar.

Stuttgart ist Zentrum einer Region mit über zwei Millionen Einwohnern und weitere dicht besiedelte Landkreise schließen sich an. Der Bahnhof ist Ziel-, Start- und Umsteigebahnhof gleichermaßen. Da bewegen sich mehrere Hundert Menschen gleichzeitig auf einem Bahnsteig. Die Deutsche Bahn schaffte es seit den 1950er-Jahren nicht – genauso wie die Deutsche Reichsbahn seit den 1880er-Jahren – einheitliche Bahnsteighöhen einzuführen. Ein- und Ausstieg gestaltet sich zumeist schwierig. Mal geht es zwei Stufen zum Bahnsteig hinunter, mal eine Stufe hoch, dazu ein Zwischenraum zur Bahnsteigkante. Dies kostet Zeit und nervt. Ebenerdig steigt man da in Paris aus dem TGV.

Besser in einheitliche Bahnsteige und passende Waggons investieren, als in das Milliardengrab S 21. Zudem: Der Durchgangsbahnhof S 21 hat je vier Richtungsgleise nach Norden beziehungsweise Süden. Wird ein Richtungsgleis blockiert, stehen nur noch drei zur Verfügung. „Geisterzüge“ sind auf den vier Richtungsgleisen in die andere Fahrtrichtung nicht möglich. Bei einem Kopfbahnhof sind alle Gleise aus jeder Richtung und in jede Richtung befahrbar. Ist ein Gleis blockiert, stehen alle übrigen 15 weiter zur Verfügung. Theater- oder Konzertbesucher aus dem Umland, die mit dem Zug kommen, begrüßen es sehr, wenn nach Ende der Veranstaltung ihr Zug im Bahnhof schon wartet, auch wenn die Abfahrt erst in zehn oder 20 Minuten sein wird. Man kann im Zug bis zur Abfahrt warten. Shuttles wie Stuttgart–Tübingen oder Stuttgart– Ulm gibt es bei S 21 nicht mehr. Freie Gleise stehen nicht zur Verfügung, um Züge im Bahnhof zu parken. Frage: „Wo ist der Fortschritt im Projekt S 21 versteckt?“

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