Leserbriefe

Wo bleibt die Mitmenschlichkeit?

Ulrich Immendörfer, Frickenhausen-Linsenhofen. Zum Leserbrief „Gambia-Fieber im Neuffener Täle“ vom 28. Januar. Wie schon in seinem Leserbrief vom April 2016 stört es Herrn Hoffmeister immer noch, dass da im Neuffener Tal Menschen sind, die die gambischen Flüchtlinge als ehrbare Gäste behandeln und ihnen helfend in wichtigen Angelegenheiten zur Seite stehen. Der Bazillus, vor dem Herr Hoffmeister sich fürchtet, heißt Einfühlung und Mitmenschlichkeit. Wie viel Gambier hat er in den zwei Jahren, in denen diese Menschen bei uns wohnen, persönlich kennengelernt? Wie viel Leidens- und Fluchtgeschichten hat er sich schon angehört? Indem er sich auf Rechtmäßigkeit beruft, ist er formal im Recht. Das Dublin-Abkommen, auf das er sich beruft, ist aber geltendes Unrecht, denn es gelten in Deutschland auch die Menschenrechte und das Recht auf Asyl – noch nie davon gehört?

Wie hilflos muss eine Behörde sein, wenn sie einen sehr integrationswilligen Flüchtling nur mit Hilfe einer Lüge aufgreifen kann. Eine Helferin, die Zeit und Geld opfert, um zu helfen, ist zu weiterem Einsatz wenig motiviert, wenn ihr von Bediensteten der Nürtinger Ausländerbehörde ins Gesicht hinein angelogen wird. Vielleicht ist das vom Gesetz her erlaubt, aber sind sich diese Leute darüber im Klaren, für welch schmutziges Geschäft sie sich hergeben?

Da fragt sich Andreas Bergholz in seinem in der gleichen Ausgabe abgedruckten Leserbrief, wie Menschen tatenlos zusehen konnten, als die Verbrechen der Nazis begangen wurden. Ich sehe es als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit an, einen Flüchtling unversorgt in ein Land zu deportieren, das nachweislich nicht in der Lage ist, für die Grundversorgung desselben aufzukommen, und das zu allem hin noch zur Winterzeit, wo es auch in (Nord-)Italien sehr kalte Nächte gibt. Wer schon einmal nur eine Winternacht im Freien zugebracht hat, wünscht das keinem. Auch was die Nazis getan haben, war gemäß ihren Gesetzen und trotzdem himmelschreiendes Unrecht. Wer damals Widerstand geleistet hat musste mit KZ oder mit dem Tod rechnen. Heute droht bei Widerstand gegen eine unmenschliche Anordnung keine solche Gefahr. Modou S., der am 12. Januar in Abschiebehaft geriet, und dem man nach vollzogener Deportation deutlich gemacht hat, dass er auch in Italien unerwünscht ist, ist kein Einzelfall.

Wenn man die Zahl der Abschiebungen im vergangenen Jahr sieht, weiß man, dass die genannten Fälle nur die Spitze eines Eisbergs sind. Wohin ist es mit unserem reichen Land gekommen, dass Gesetze und Verordnungen höher stehen als Mitmenschlichkeit?

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