Leserbriefe

Wo bleiben die Eltern behinderter Kinder?

Bärbel Kehl-Maurer, Nürtingen. Zum Artikel „Inklusive Beschulung beherzt vorantreiben“ vom 18. Oktober. Die Artikelüberschrift machte Hoffnung, indes der nachfolgende Text deprimierte. Gefragt wurden Sonderschulpädagogen, Regelschullehrer, die Lehrergewerkschaft und das Staatliche Schulamt. Eltern von Kindern mit Behinderung? Spielen offensichtlich keine Rolle. Behinderte Kinder selbst? Auch Nebensache! „Inklusion könnte, müsste, sollte“ wäre deshalb die richtige Headline des Beitrags gewesen, denn worauf läuft es letztlich hinaus? Von einigen für die Inklusion wirklich engagierten Pädagogen abgesehen, wird von den anderen Befragten wie gewohnt nur darauf verwiesen, dass Inklusion viel Geld kostet (eine neue Erkenntnis?!) und Zeit braucht. Und dass man sich – sollte Inklusion tatsächlich realisiert werden – insbesondere um die Zukunft der Sonderschulen und ihrer Lehrkräfte kümmern müsse. Und dass Eltern von behinderten Kindern nicht verlangen könnten, dass an einer bestimmten Schule Voraussetzungen für ihr Kind geschaffen würden, weil das völlig unverantwortlich mit Blick auf die öffentlichen Haushalte wäre.

Wo bleiben hier diejenigen, um die es tatsächlich geht, die betroffenen Kinder? Natürlich sind alle Fachleute letztlich für schulische Inklusion, das gehört sich ja heutzutage so, das ist politisch korrekt. Natürlich nicht sofort. Schließlich hat Deutschland erst im Jahr 2009 die UN-Behindertenrechtkonvention unterzeichnet. Aber gleich wenn die Finanzierung gesichert ist, wenn für die Pädagogen andere Arbeitsmöglichkeiten geschaffen worden sind, wenn die Zukunft der Sonderschulen als Bildungs- und Beratungszentrum gesichert ist, dann, ja dann . . . Oder wie es in dem Beitrag heißt: „Hier sind wir in Gesprächen und auf einem guten Weg.“

Ein guter Weg wäre in der Tat eine Konferenz aller Schulträger im Landkreis – allerdings auch mit Beteiligung betroffener Eltern! Wie leicht wird vergessen, dass neben dem Elternhaus in der Schule die Weichen gestellt werden für späteres soziales Verhalten und die Akzeptanz von anderen Menschen, die vielleicht nicht in die Norm zu passen scheinen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass eine Antwort wie „wir sind auf einem guten Weg“ jemanden, der wirklich zukunftsorientiert denkt, zufriedenstellen kann. Es geht eben nicht nur um Geld, sondern darum, ob wir eine aufgeklärte und verantwortungsbewusste Gesellschaft sind oder nicht. Wenn wir dieses bejahen, dann müssen wir die Inklusion unserer Mit-menschen und insbesondere der Kinder mit Behinderung mit aller Kraft vorantreiben und ihnen auch die Rechte zugestehen, die jeder andere Bürger des Landes für sich beansprucht.

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