Leserbriefe

Warum ist der Westen für Putin ein Feind?

Peter Reinhardt, Neckartenzlingen. Da schickt ein Land Panzer und Soldaten – völkerrechtswidrig mit entfernten Hoheitszeichen – über die Grenze eines anderen Staates, okkupiert einen Teil dieses Landes und beherrscht mit kriegerischen Mitteln – und vielen deftigen Lügen – ein paar Städte dieses Landes. Und das findet in Deutschland mancherlei Verständnis. Da wird Putin fast zum Heiligen – und die NATO, inklusive den USA, fast zum Teufel. Nanu? Dabei zeigen doch die Ereignisse gerade in der Ukraine, warum die NATO gegründet worden ist – nämlich um für ihre Mitglieder genau das zu verhindern, was mit der Ukraine passiert: eine kriegerische Annexion durch einen übermächtigen Nachbarn.

Natürlich können wir die Ukrainer ihrem Schicksal überlassen und darauf vertrauen, dass die Russen dasselbe nach diesem geglückten Coup nie wieder tun werden. Dabei gibt es noch eine ganze Reihe von Staaten, in denen russische Minderheiten leben. die durch Putin „befreit“ werden können, sodass er sie „heim ins Reich“ holen muss. Da erinnert doch manches an 1938/39. Darf uns das, was da geschieht, gleichgültig lassen? Dort werden alle Regeln des Völkerrechts gebrochen – wüste Lügen verbreitet und eine Menge von unterschriebenen Verträgen und Versprechungen in Luft aufgelöst. „Da hat die NATO versucht, Russland einzuzingeln“ – ja was denn? Da haben freie Völker um die Aufnahme gebeten. Eine friedliche Zusammenarbeit mit dem Westen ist Russland mehrfach angeboten worden. Und wieso ist „der Westen“ für Russland eine feindliche Macht? Vor der es sich schützen muss? Mit Krieg?

Gedankengänge, die kaum noch rational nachvollziehbar sind. Putin betreibt brutale Machtpolitik. Das sollte doch klar sein. Das Problem: militärische Mittel scheiden als Antwort unbedingt aus – zum Glück! Es bleiben nur diplomatische und wirtschaftliche Mittel. Und die wirken doch schon ganz gut – der Kurswert des Rubels ist um 40 Prozent gesunken, die russische Wirtschaft stagniert –, aber durchschlagende Erfolge gibt es freilich nicht auf die Schnelle. Putin rechtfertigen, das stärkt einen gewaltbereiten Herrscher; auf harte Gegenmaßnahmen drängen, das verstärkt eine Kriegsgefahr. Der Weg dazwischen ist schmal und schwierig. Klar ist auch: die US-Regierung hat üble Fehler in der Weltpolitik gemacht – aber sind, bei aller berechtigten Kritik, die USA nicht nach wie vor die deutlich positivere Gesellschaft als die derzeitige russische Regierung? Die Mehrheit der Ukrainer stimmt offensichtlich für den Westen – und wehrt sich verzweifelt.

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