Leserbriefe

Stuttgart 21 und kein Ende

Marc Sink, Oberboihingen. Zum Artikel „OB Kuhn warnt vor Baustopp bei Stuttgart 21“ vom 11. Juli. Jetzt ist es also passiert. Mit dem Startschuss für den Fildertunnel werden nun unumkehrbare Tatsachen geschaffen. Es zürnt mich zu sehen, wie Stuttgart 21 (scheinbar) legitimiert wurde. Ich spreche von ignoranten Politikern, von Vetternwirtschaft und seltsamen Hintertürabsprachen sowie von einer dubiosen Volksabstimmung, die mit Schönrechnerei abgehalten wurde. Außerdem bin ich mal gespannt, was alles noch so auf uns zukommt. Ganz Stuttgart wird jetzt mit 62 Tunnelkilometern wie ein Schweizer Käse durchlöchert und das ganze haarscharf am Mineralwasser vorbei. Unsere Landeshauptstadt wird künftig einen Mini-Bahnhof mit 50 Prozent weniger Gleisen bekommen und das Ganze schön unter die Erde verbuddelt, vielleicht weil Stuttgart so hässlich ist oder weil man diese Bau-Schande nicht sehen sollte? Das Ganze nennt sich dann Fortschritt und Innovation. Die Städte Frankfurt und München haben diesen Nonsens bereits sehr früh erkannt und dankend für ihre Stadt abgelehnt. Aber wir bekommen jetzt einen Erd-Luxus-Bahnhof für mindestens 6,5 Milliarden Euro. Das wäre meines Erachtens so, als würde man mit einem Hubschrauber die Kirschen pflücken.

Können wir uns so etwas leisten? Aber solange es den meisten Bürgern hier gutgeht, scheint es nicht wirklich eine gewisse Anzahl an Bürgern zu interessieren, dass hier massiv Steuergelder verschwendet werden. Genau dies dürfte auch das Kalkül unserer Politiker sein. Es wird immer schön systematisch und akribisch darauf geachtet, dass die Stimmung im Land nicht kippt. Denn das wäre der Super-GAU für unsere Volksvertreter. Mit Schlagzeilen, dass die Neubaustrecke Ulm–Stuttgart um 300 Millionen Euro billiger wird, täuscht man nicht über die Tatsache hinweg, dass hier nur pure Propaganda betrieben wird. Sollte man nicht lieber warten, bis man fertig gebaut hat und erst dann die Rechnung präsentieren?

Wäre man von Anfang an ehrlich gewesen, dann hätte man mit dem Bau von Stuttgart 21 sinnvollerweise nie begonnen. Was haben die Herren Kretschmann und Kuhn nicht alles öffentlich von sich gegeben, als sie noch nicht an der Macht waren! Heute hört man davon nichts mehr. Ich werfe den Grünen eine massive Verhandlungsschwäche vor. Wenn man sich vor der Wahl so weit hinausgelehnt und die Wahlversprechen danach nicht halten kann, dann hätte man das Amt des Ministerpräsidenten und Bürgermeisters niemals antreten dürfen. Sich einfach hilflos hinter der Koalition zu verstecken ist feige, schwach und gleicht einem Offenbarungseid. Von der CDU und FDP, die das ganze Schlamassel ursächlich aber letztendlich angerichtet haben, spreche ich schon gar nicht.

Zur Startseite