Leserbriefe

Propaganda und Volksverdummung

Kai Hansen, Nürtingen. Zum Artikel „Der (schein)heilige Krieg“ vom 5. September. Zweimal erschien ein Artikel, worin jeweils die Plattform für Bürgerprotest „Campact“ und deren Protest gegen Freihandelsabkommen wie zum Beispiel TTIP kritisiert wird. Über TTIP wird seit 2013 verhandelt, wie alle wissen außerparlamentarisch – und unter höchster Geheimhaltung. Verbraucherschützer, aber auch der Großteil der Abgeordneten haben weder eine Chance an den Verhandlungen teilzunehmen, noch die Unterlagen einzusehen.

Campact wird des mangelnden Datenschutzes bezichtigt. Die Kernbotschaft ist aber eine andere: Der Autor schreibt: „Die EU hat über 160 Freihandelsabkommen geschlossen. Der Bundestag hat immer mit großen Mehrheiten zugestimmt, meist irgendwann abends, ohne das kontroverse Reden gehalten worden wären. Warum nun die Aufregung ?“

Es muss schon als bitterer Zynismus bezeichnet werden, wenn Herr Grabitz das abendliche Durchwinken im Parlament – ohne kontroverse Reden – als Qualitätsprädikat ansieht.

Auch scheint ihm zum Thema inhaltlich einiges entgangen zu sein. Das EPA-Abkommen zwischen mehreren Ost-Afrika-Ländern und der EU wurde sogar vom Afrika-Beauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke kritisiert. Die kenianische Regierung bezeichnete es als pure „Erpressung“. In Kenia kann die heimische Landwirtschaft mit den niedrigpreisigen Importen aus der EU nicht mithalten, wodurch Bauern pleite gehen. Auch steht in dem Freihandelsabkommen zum Beispiel ein Verbot neuer Steuern auf Exportgüter in die EU. Die wären aber nötig, um ein Ausbluten der eigenen Wirtschaft zu verhindern.

Allein Kenia gehen dadurch 100 Millionen Euro jährlich an Einnahmen verloren, die sie zum Aufbau ihrer Wirtschaft bräuchten. Als Kenia das EPA nicht unterschreiben wollte, steigerte die EU auf Exportgüter aus Kenia die Zölle von 8,5 Prozent auf circa 30 Prozent etwa auf Schnittblumen oder Röstkaffee. Europa produziert Verlierer – und hier vor allem wir mit der auf Export ausgelegten Billigfutter-Produktion. Daraus werden dann, oh Wunder, Flüchtlingsströme.

Herr Grabitz hat ganz offenbar einen „blendenden“ Artikel verfasst. Und die Redaktionsleitung platziert diese emotionale Volksverdummung auf der Titelseite und auf Seite 3. Das hat mit Qualitätsjournalismus nichts mehr zu tun. Das ist schrecklich verstellende Propaganda in einem scheinheiligen wirtschafts-ideologischen Krieg. Auf Campact wehren sich EU-Bürger wenigstens per Unterschrift dagegen.

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