Leserbriefe

Neckartenzlingen und die Flüchtlinge

Jochen Findeisen, Schlaitdorf. Zum Artikel „Wut und Zorn in der Melchiorhalle“ vom 8. Oktober. Der Anlass für die lesenswerten Ausführungen des Herrn Klemke ist eine unlängst durchgeführte Bürgerversammlung in der Melchiorhalle zu Neckartenzlingen. Diese Veranstaltung war veranlasst von der Gemeindeverwaltung, die nicht weiter auf ihrer Weigerung beharren konnte, Flüchtlinge aufzunehmen und deren Aufnahme öffentlich zu diskutieren. Niemand kann und konnte erklären, weshalb ausgerechnet Neckartenzlingen die Unterbringung von Flüchtlingen verweigern durfte, während kleinere und „ärmere“ (Nachbar-)Gemeinden Wege fanden, diese bemitleidenswerten Menschen aufzunehmen. Bei den meisten Besuchern der Veranstaltung war offen-sichtlich kein Interesse zu spüren, die anstehenden Probleme sachlich zu diskutieren.

Bislang war aus nicht verständlichen Gründen eine öffentliche Erörterung unterblieben. Die Folge war laut Herrn Klemke eine „enorme Wut“, befeuert von Vorurteilen, Halbwissen und Fremdenangst! Die Zuhörer mussten sich auch von Bürgermeister Krüger „auf den Arm genommen“ fühlen, als dieser die anwesenden Bürger fragte, ob sie bereits Kontakte mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten aufgenommen hätten. Den Bürgern ist es nicht zu verargen, wenn sie sich die Frage stellten, wozu sie eigentlich einen Bürgermeister gewählt haben, der es anscheinend nicht als seine Pflicht ansieht, sich mit gewählten Parlamentariern über die Probleme seiner Gemeinde auszutauschen.

Mit einer Frechheit ohnegleichen forderte er stattdessen die Bürger auf, ihre Anliegen in einem Brief an die Frau Bundeskanzlerin darzulegen. Laut dem Teilnehmer Walter Baral gibt es Widerstände und Ängste von Schülern, Frauen, Sportplatz- und Baggerseebenutzern, die angeblich befürchten, dass in Neckartenzlingen Dinge „wie an Silvester in Köln“ passieren, wenn 64 Wohncontainer im Flurstück „Am Heiligen Bronnen“ aufgestellt werden. Flüchtlingen wurde unterstellt, diese hätten, was Kriminalität anbelangt, eine „niedrige Hemmschwelle“. Bürgermeister Krüger sprang den empörten und verängstigten Bürgern bei und erklärte, auch er habe „Angst um seine Kinder und Kindeskinder“. Der Bürgermeister kann sich beruhigen – er muss sich allenfalls vor der Staatsanwaltschaft fürchten, denn das, was er geäußert beziehungsweise geduldet hat, könnte als Volksverhetzung beziehungsweise Störung des öffentlichen Friedens im Sinne von Paragraf 130 Strafgesetzbuch gesehen werden.

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