Leserbriefe

Altkanzler Kohl war immer rachsüchtig

Hartmut Schewe, Aichtal-Neuenhaus. Zum Artikel „Kohl rechnet mit Union ab – Merkel schweigt“ vom 7. Oktober. Ich verstehe die Aufregung um die Äußerungen Kohls überhaupt nicht! Der war doch schon immer verbittert und verbiestert. Das ist keine Alterserscheinung. Gefürchtet war er wegen seines Elefantengedächtnisses und seiner Rachsucht. Besonders, wenn er sich von irgendjemandem beleidigt oder gekränkt fühlte. Der musste noch nach Jahrzehnten mit einer Revanche rechnen. Lasst ihn doch grummeln, diesen Kleingeist.

Unbegreiflicherweise halten Kohl immer noch viele für das, was er nie war: einen „Staatsmann“ von Format und den „Kanzler der Einheit“. Wenn er etwas mit der Einheit zu tun hatte, dann nur die Zufälligkeit seiner Kanzlerschaft zu diesem Zeitpunkt. Und das war’s dann. Wenn jemand diesen Titel verdient, dann Willy Brandt, dessen erfolgreiche Ostpolitik von Kohl anfangs erbittert bekämpft wurde. Mir ist jedenfalls kein Einspruch Kohls gegen die damalige und abgewiesene Verfassungsklage der Union gegen diese Politik bekannt. Stattdessen hat er sie später vernünftigerweise übernommen. Das dürfte seine größte Leistung gewesen sein.

Als Brandt 1970 in Warschau vor dem Denkmal an die Ermordeten des Ghetto-Aufstandes niederkniete, war das ein völlig überraschendes Zeichen der Demut vor den Opfern des Nazi-Terrors durch einen deutschen Regierungschef, der mit diesen Untaten nicht das Geringste zu tun hatte. Das Bild ging um die Welt und nötigte überall höchsten Respekt ab, dürfte auch zum Erfolg der Ostpolitik nicht unerheblich beigetragen haben. Onkel Kohl wollte später auch so etwas „Geschichts“-Trächtiges. Was macht er? Auf dem 1984 inszenierten Treffen mit Mitterrand auf einem deutschen Soldatenfriedhof in der Nähe Verduns grabbelt er mit seinen Patschehändchen nach der Hand des französischen Staatspräsidenten und hält sie dann so fest, dass der sich nicht wehren kann. Auch das Bild habe ich heute noch vor Augen, dieses Bild eines peinlichen Plagiats. Aber immerhin hat es sich in einige Geschichtsbücher durchgemogelt. Was diese und ähnliche PR-Unfälle Kohls betrifft, auch den derzeitigen, fällt mir nur ein: „Oh, hättest du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben.“ (Sinnspruch nach Boethius circa 475–525 nach Christus). So, und nun lassen wir den alten Mann in seiner Ecke vor sich hin brabbeln und sonst in Ruhe. Immerhin hat er nichts Schlimmes angestellt, außer, dass sich in seiner Regierungszeit bereits vor der Vereinigung die Staatsschulden drastisch erhöht haben. Und das bei einem schnurrenden Konjunkturmotörchen.

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