Leserbriefe

Aktion Barbarossa in der Version 2.0

Dr. Werner Göring, Erkenbrechtsweiler. Zum Artikel „Heikles Manöver: Koalition streitet über Russlandpolitik“ vom 22. Juni. Es ist unglaublich, wohin die Diskussion im Land über den Umgang mit den Nachbarn im Osten abgeglitten ist. Als nun 60-Jähriger habe ich die schwierige, vorsichtige Öffnung gegenüber dem Osten selbst miterleben können und mitverfolgt. Inzwischen ist die innerdeutsche Grenze längst verfallen und der Eiserne Vorhang aufgelöst. Welches Glück für die Menschen hüben wie drüben.

Und nun: NATO-Manöver an der Ostgrenze der baltischen Staaten in Schussweite der russischen Grenze (wir sind wieder fast so weit vorgedrungen wie 1942/43), Verbot der wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland, Ausladen der russischen Politiker bei internationalen Gesprächen, pauschale Aussperrung der russischen Sportler bei internationalen Sportveranstaltungen und so weiter. Man kann dieses Gebaren durchaus treffend als Aktion Barbarossa Version 2.0 bezeichnen. Vor 75 Jahren wurde schon einmal ein Vernichtungskrieg gegen Russland geführt, ist ja bekanntlich ziemlich danebengegangen. Aber die militärischen Betonköpfe haben nichts kapiert, nichts gelernt und den Rest vergessen. Aber warum vergessen auch unsere demokratisch gewählten Politiker, ihre Entscheidungen nach Kriterien der Moral und Vernunft zu treffen? Pauschale Verunglimpfungen sind einfacher zu formulieren und führen kurzfristig auch zu Applaus – letztendlich führen sie zu keinem Erfolg und belasten und vergiften die Verständigung und Gemeinschaft der Völker und Staaten. Und das zum Schaden von uns allen.

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